Es ist die Zeit, wo Gerüche und Gefühle wieder den Zauber der Kindheit hervorbringen, und zwar oft auf besondere Weise. Wobei heute wie damals die Weihnachtszeit mit dem Advent begann. Nur heute wird der Adventkranz billig im Supermarkt oder teuer im Blumenfachgeschäft gekauft, während damals jede Familie ihren Kranz selbst herstellte und ihn mit roten Kerzen und Schleifen bestückte. Und wenn der Nikolaus „kam“, brachte er entweder ein Sackerl mit einem Kranz getrockneter Feigen, zwei Mandarinen sowie ein Stück Schokolade – oder eben nur ein paar Klumpen Koks (den zum Heizen), je nachdem wie brav oder schlimm „man“ war.

Den Krampus, von den Eltern oft angedroht, fürchteten wir sehr, allerdings kam er, ebenso wie der Nikolo, nur in Häuser, die über einen oder zwei männliche Verwandte oder gute Nachbarn verfügten. Anders war es um diese Zeit auf den Gassen, da trieben sich meist einige „Kramperln“ herum und schreckten die Mädchen mit Kettengerassel und Gebrüll, Buben allerdings wurden gerne etwas verdroschen. Also mied man als Kind in der entsprechenden Zeit bei Einbruch der Dunkelheit den Aufenthalt im Freien, außer man war schon etwas älter und in einer größeren Gruppe, denn dann schwadronierte man davon, wie man so einen Krampus verdreschen werde – so er sich denn zeigte. Das Problem war, wenn einer kam schwand der Mut, und die vorher so starke Meute zerstob in der Dunkelheit der angrenzenden Felder.

Nun gab es in der Siedlung meiner Jugend reichlich Kinder, und alle fieberten dem Heiligen Abend entgegen. Es gab sogar Wunschzettel, die ins Fenster gelegt wurden, wobei klar war, dass so manches Geschriebene Wunsch bleiben wird – aber solange wir ans Christkind glaubten, war zumindest Hoffnung da. Und damals wünschten wir uns als Kinder nichts Großartiges. Es gab ja diese Fülle an Spielzeug wie heutzutage noch nicht, kein Fernsehen gaukelte Kindern die heutige Welt aus Kunststoff vor, keine Einkaufszentren, in denen an jeder Ecke Begehrenswertes angepriesen wurde. Wir Kinder drückten uns an der Scheibe eines relativ kleinen Geschäftes die Nasen platt, um die Objekte der Begierde, wie eine elektrische Eisenbahn, eine neue Puppe oder einen Fußball, zu bestaunen.

Das Leben im kleinen Siedlungshaus spielte sich im Wohnzimmer – gut 16 Quadratmeter mit Linoleumfußboden – und Blick in die offene Küche ab. Es wurde ja nur dort geheizt, da gab‘s etwa erst einen kleinen Meller-Kohleofen und später eine Art Kachelofen, die Wärme spendeten. In den anderen Zimmern blühten die Eisblumen an den Fenstern. Aber aus der noch kleineren Küche roch es im Advent immer nach Backwerk jedweder Art – und nach Äpfeln und Birnen, die zum Nachreifen aus dem Keller geholt und oben auf der Küchenkredenz platziert wurden

Der Christbaum übrigens war weit zu tragen, am Stadtrand gab‘s nicht an jeder Ecke einen Verkaufsstand, und da Autos ebenfalls nicht existent waren, war es ziemlich mühsam, die erstandene Fichte nach Hause zu bringen. Wir Kinder sahen den mit silbernen Kugeln, Lametta, echten Kerzen und einer Christbaumspitze geschmückten Baum in der Regel erst am Weihnachtsabend.

Für das Weihnachtsessen gab es eigentlich keine Tradition, das schwankte zwischen Fisch und Schweinsbraten, und dieser wurde mit Semmelknödeln serviert. Wenigsten diese hatten in unserer Familie Tradition, denn sie hatten den Vorteil, dass übrig gebliebene Knödel an einem der nächsten Tage angeröstet und mit Spiegelei und Vogerlsalat verzehrt werden konnten.

Vor der Bescherung gab es einen Spaziergang, damit unser kleines Wohnzimmer weihnachtlich hergerichtet werden konnte. Wenn wir uns dann im winzigen Vorzimmer unserer Winterjacken und Schuhen entledigten, mussten wir warten bis das Glöckchen bimmelte, damit wir uns in das wohlig warme Wohnzimmer drängen und die flackernden Kerzen am Christbaum und eine funkenspritzende Wunderkerze bewundern konnten.

Singen war in unserer Familie nicht angesagt, „Stille Nacht“ tönte aus dem Radio, und wir Kinder warteten ungeduldig auf die Erlaubnis zum Öffnen der Geschenke. Neben von der Mutter gestrickten Socken und Pullovern, die meistens zum „Hineinwachsen“ gedacht waren, gab es zum Beispiel ein Pferdefuhrwerk mit Bierfässern oder einen massiven, vom Vater geschweißten, Lastwagen aus Blech. Höhepunkt in meiner Erinnerung war einmal ein Mikroskop, das mir sehr lange Freude bereitete und irgendwo in den Tiefen unseres Zuhauses noch immer existiert. Und, auch ein Highlight, einmal lagen Ski unter dem Christbaum. Der Baum blieb in der Regel noch bis zum 6. Januar, dem Fest der heiligen drei Könige, stehen, seine Reste dienten dann noch als Abdeckung des Gemüsebeetes im Garten.

In meiner Erinnerung lag in den fünfziger Jahren, anders als heute, rund um Weihnachten immer Schnee, und zwar jede Menge. Dieser Umstand und die vom Christkind gebrachten Ski brachten es total, denn es gab da diese schon vor dem Zweiten Weltkrieg ausgehobene Schottergrube, die mit dem nebenbei abgelagerten Obermaterial gut zehn Meter Höhenunterschied ausmachte und eine hervorragende Slalompiste ergab. Diverse krumme Stecken aus der Umgebung dienten als Tore, und mangels Uhr wurde die Zeit von einem von uns „gezählt“ – und zwar je nach Sympathie mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, was öfter zu heftigen Diskussionen führte. Der jeweils angefeindete „21 – 22 – 23 - . . .“-Zählende verbat sich natürlich die Anschuldigungen, wobei er natürlich vom Siegläufer auf das Heftigste unterstützt wurde.

Ja, so war das Anfang der fünfziger Jahre, es war eine seltsam besondere Zeit. Es gab bei weitem nicht die Angebotsfülle von heute – und trotzdem war da eine Aufbruchsstimmung dass alles immer besser wird, dass eine gute Zeit im Kommen war. Es gab kaum jemanden, der so pessimistisch in die Zukunft blickte wie es heute gang und gäbe ist.

Und damit wünsche ich besinnliche Festtage und einen guten Rutsch ins Jahr 2026, meint Ihr Redakteur!


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