Wenn man wissen möchte, wie sich das Klima rund um den eigenen Garten verändert, kann man entweder teure Temperatur- und Klimamessgeräte kaufen, Metastudien und Fachberichte durchackern oder man pflanzt sich eine geniale Klima-Hecke mit 10 heimischen Gehölzarten.

 

Sobald die Klima-Hecke angewachsen ist und zu blühen beginnt, kann sie bereits als lebendiges Klimamessgerät eingesetzt werden. Die 10 Arten der Klima-Hecke funktionieren nämlich als äußerst empfindliche Messinstrumente der bodennahen Atmosphäre und zeigen mit ihren Zeitpunkten der Blüte oder Fruchtreife Jahr für Jahr ganz genau an, wie sich der Klimawandel vor der Haustüre auswirkt und wann die 10 natürlichen Jahreszeiten ins Land ziehen. Das Naturjahr kennt nämlich 10 statt 4 Jahreszeiten, die nicht mit einem fixen Datum, sondern durch Naturphänomene wie Blattaustrieb, Blühbeginn oder Fruchtreife eingeläutet werden. Diese Naturentwicklung hängt vor allem von der Temperatur, der Sonnenscheindauer und dem Niederschlag ab und kann an den 10 Pflanzen der Klima-Hecke genau mitbeobachtet werden. Beobachtungen über mehrere Jahre lassen leicht erkennen, wie unterschiedlich die einzelnen Jahre sind und wie sich Witterung und Klima verändern. Wie das alles genau geht und warum die Klima-Hecke ein echtes Multitool für den Garten ist, können Sie in diesem kleinen Artikel erfahren.

Die Jahre werden länger

Mit doppelt so hoher Geschwindigkeit wie im weltweiten Durchschnitt ist die Jahresmitteltemperatur im Alpenraum während der letzten 100 Jahre um etwa 1.8°C angestiegen. Das wirkt sich nicht nur auf uns Menschen, sondern auch auf unsere Pflanzen und Tiere aus. So zieht der Frühling mit der ersten Blüte oder dem Beginn des Laubaustriebs um etwa 7 bis 10 Tage früher ins Land als noch vor 30 Jahren. Auch der Beginn der Herbstfärbung des Laubes hat sich in manchen Regionen um einige Tage nach hinten verschoben. Insgesamt ist es dadurch zu einer Verlängerung der Vegetationsperiode um bis zu zwei Wochen gekommen.

Der phänomenale Rhythmus der Natur

Im Gegensatz zum gebräuchlichen Datums-Kalender ist der „Kalender, den die Natur schreibt“ von Jahr zu Jahr und von Gegend zu Gegend unterschiedlich. Das Naturjahr verläuft dabei aber alles andere als chaotisch! Mit konsequenter Regelmäßigkeit folgen die einzelnen Phasen der Naturentwicklung aufeinander. Die Blüte des Haselstrauches kann sich von Jahr zu Jahr schon einmal über einen Monat verzögern, aber dann sind auch die anderen zeitig blühenden Pflanzen später dran. Wenn man nun z.B. auf den Blühbeginn von bestimmten Pflanzenarten achtet, kann man den Frühling in einen Vorfrühling, einen Erstfrühling und einen Vollfrühling untergliedern. Das wird dem Rhythmus der Natur schon wesentlich gerechter. Natürlich haben auch Sommer und Herbst ihre Feineinteilung und schon sind es: 10 Jahreszeiten! Der Naturkalender kann mit Hilfe von Pflanzen, Vögeln oder Schmetterlingen geschrieben werden. Eigentlich tragen fast alle Naturerscheinungen eine Kalender-Komponente in sich und geben uns Kunde vom Einzug der natürlichen Jahreszeiten. Davon leitet sich auch der Name der zugehörigen Forschungsdisziplin ab – der Phänologie.

Phänologie – die Kunde von den Erscheinungen

Die Phänologie befasst sich mit den Jahr für Jahr wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen bei Pflanzen und Tieren in Abhängigkeit von der Witterung. Vor allem Pflanzen wirken dabei wie komplexe Messinstrumente für eine Vielzahl von Umweltfaktoren wie Temperaturverlauf, Wasserversorgung, Vorjahresverhältnisse und vieles mehr. Das schöne dabei ist: Egal wie kompliziert die Abläufe in und um die „Chemiefabrik“ Pflanze auch laufen mögen, das Ergebnis ist für jedes Kind wunderbar einfach ersichtlich – es blüht schon oder es blüht noch nicht! Dabei genügt es schon, die Gehölzarten der Klima-Hecke im Jahresverlauf zu beobachten und seine Beobachtung mit anderen Gegenden zu vergleichen. Dann formen sich immer stabilere Bilder über Zusammenhänge in der Natur fast schon wie von selbst. Wie das aussehen kann, sieht man zum Beispiel anhand des Schwarzen Hollers in der Abbildung (siehe oben), die auf für Österreich gemittelten Beobachtungsdaten des Phänologischen Netzwerkes der ZAMG beruhen. Die Grafik zeigt gut, wie unterschiedlich die einzelnen Jahre hinsichtlich des Blühzeitpunktes sind und wie der Trend der Blühentwicklung aussieht. Dabei ist eindrucksvoll ersichtlich, dass der Holler tendenziell immer früher zu blühen beginnt. Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts blüht der Schwarze Holler als Zeiger für den Beginn des Frühsommers um bis zu 3 Wochen früher. Ob und wie sich dieser Trend weiter entwickeln wird, lässt sich am besten mit eigenen Beobachtungen am Holler der Klima-Hecke nachvollziehen.

Die 10 Arten der Klima-Hecke

Die Klima-Hecke besteht aus 10 heimischen Gehölzarten, die alle aus garantiert regionaler Abstammung sind und deren Eltern als Wildgehölze in den Regionen Ostösterreichs zu Hause sind. Die regionale Herkunft der Pflanzen ist wichtig, um eine regionstypische Naturentwicklung für die eigenen Klimabeobachtungen zu erhalten. Welche Zeigerfunktion die einzelnen Pflanzen für den Einzug welcher natürlichen Jahreszeit haben, geht aus der folgenden Übersicht hervor, sowie aus dem beigelegten Infomaterial, das man beim Heckentag der Regionalen Gehölzvermehrung (RGV) zum Heckenpaket dazu erhält.

Vorfrühling

Das Naturjahr beginnt mit der Blüte der Sal-Weide (Salix caprea) und der intensiv gelben Blüte des Dirndl-Strauches (Cornus mas). Wichtige erste Nahrung für die Frühaufsteher unter den Bienen.

Erstfrühling

Mit dem Beginn der Schlehenblüte (Prunus spinosa) kommt all das, was wir mit Frühling verbinden: erste warme Tage, Buschwindröschen und Insektenflug, beginnender Laubaustrieb allerorts.

Vollfrühling

Während im Obstgarten die Apfelblüte begonnen hat, zeigt in der Klima-Hecke die Purpur-Weide (Salix purpurea) die ersten reifen Früchte. Der Wollige Schneeball (Viburnum lantana) zeigt seine üppigen Blütendolden und auch das Pfaffenkäppchen (Euonymus europaea) und der Faulbaum (Frangula alnus) beginnen ihre Blüten zu öffnen und Bestäuber anzulocken.

Frühsommer

Die aufbrechenden Blüten des Schwarzen Hollers (Sambucus nigra), der Hunds-Rose (Rosa canina) und des Roten Hartriegels (Cornus sanguinea) kündigen den Frühsommer an. Das Pflanzenwachstum ist in vollem Gange, die letzten Nachzügler beim Laubaustrieb arbeiten nun mit Volldampf.

Hochsommer

Im Hochsommer gibt es an der Klima-Hecke nur wenig Neues zu beobachten. Der Faulbaum zeigt auch jetzt noch einige seiner unscheinbaren Blüten, während bei den anderen Sträuchern die Fruchtbildung voranschreitet. Ansonsten heißt es: „business as usual“.

Spätsommer

Das nicht der Herbst das Füllhorn der Natur ist zeigt der Schwarze Holler. Mit seiner Fruchtreife wird der Spätsommer eingeläutet. Auch der Wollige Schneeball schließt sich an und färbt seine Fruchtstände von rosa nach tiefschwarz.

Frühherbst

Jetzt geht es mit den Früchten Schlag auf Schlag. Holler, Roter Hartriegel, Dirndl, Hundsrose und Schlehe stecken das Farbspektrum ab. Und manchmal blüht es in der Hecke sogar noch. Dieses Phänomen des vereinzelten Nachblühens zeigen uns ab und an Holler, Roter Hartriegel und Faulbaum.

Vollherbst

Jetzt zeigt unsere Hecke, was hinter den uniformen Grüntönen des Laubes an weiteren Farben steckt! Je nach Witterungsverlauf erstrahlt die Hecke farbenfroh in Grün-, Gelb-, Rot- und Brauntönen. Die Blätter des Pfaffenkäppchens zeigen sich knallrot.

Spätherbst

Die Gehölze der Klima-Hecke verlieren Zug um Zug ihr Laub, einzig der Roter Hartriegel sträubt sich noch ein wenig gegen den Blattfall. Die Dirndl hat kugelrunde auffällige Blütenknospen angelegt.

Winter

Scheinbare Ruhe herrscht in der Klima-Hecke. Im Hintergrund tut sich aber Einiges! Die Früchte von Hunds-Rose und Schlehe liefern Vögeln eine willkommene Winternahrung und in den Heckenpflanzen selbst herrscht Bereitschaftsdienst, um im anstehenden Vorfrühling jederzeit neu durchstarten zu können.

Multitool Klima-Hecke

Mit der Klima-Hecke kann man vergleichbar mit einem Schweizer Messer ein echtes Multitool im Garten verwurzeln. Neben ihrer Hauptfunktion als lebendiges Messgerät für die Klimaveränderung im eigenen Garten, hat die die Hecke noch einige weitere Funktionen auf Lager. Sie bietet reiche Nektar- und Pollennahrung für unsere Bestäuberinsekten und sorgt für mehr Bestäubungserfolg und somit Ertrag bei Obst und Gemüse, bietet wunderbar schmackhafte Dirndl-, Holler- oder Schlehenfrüchte und zaubert mit Rotem Hartriegel oder Gewöhnlichem Spindelstrauch zauberhafte Herbstfärbung in den Garten. Schließlich bietet die Hecke mit dem Faulbaum noch ein kleines aber ganz besonderes „Werkzeug“. Der Faulbaum bietet mit seinem Laub als einer von nur zwei heimischen Gehölzarten den Raupen des Zitronenfalters Nahrung. Und die erste Sichtung eines Zitronenfalters ist ein Top-Zeiger für den Beginn des Vorfrühlings, womit wir wieder bei der Klimabeobachtung sind. Mit der Klima-Hecke wird der eigene Garten zu einer Forschungsstation für die Klima- und Naturentwicklung und jeder Gartenbesitzer zu einem waschechten Phänologen.

Treffpunkt Naturkalender

Mit der Initiative www.naturkalender.at wurde vom Büro LACON – Landschaftsplanung & Consulting, der ZAMG und unter Mitwirkung der Regionalen Gehölzvermehrung RGV eine Initiative ins Leben gerufen, die sich voll und ganz der phänologischen Naturbeobachtung widmet. Mit der entwickelten Naturkalender-App kann man dutzende typische Tier- und Pflanzenarten und natürlich auch die Arten der Klima-Hecke fotografieren und eintragen, in welcher Entwicklungsphase sie sich gerade befinden. Wenn man das regelmäßig und über viele Jahre hinweg macht, erkennt man, wie sich der Klimawandel auf Tiere und Pflanzen im Garten auswirkt und welche Zusammenhänge es zwischen jährlicher Witterung und der biologischen Vielfalt gibt.

Der Klimaforschung und unseren Bauern helfen

Die Beobachtungen und Fotos, die mit der App geteilt werden, liefern wertvolle Beiträge für die Natur- und Klimaforschung in Österreich und der ganzen Welt. Denn die Beobachtungen fließen in die europäische phäno­logische Datenbank ein, die von unserem Klima-Hecken-Partner, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), betreut wird. Noch dazu fließen die App-Beobachtungen aus der Klima-Hecke auch in ein Computermodell ein, mit dessen Hilfe hunderte österreichische Bauern in Jahren mit zeitiger Wiesenentwicklung flexibel und früher mähen können. Somit helfen alle App-Benutzer auch ganz konkret, dass die Bauern gutes Futter haben und die Wiesen bunt und artenreich bleiben.

Klima-Hecke bestellen und verwurzeln

Die Klima-Hecke mit ihren 10 phänologischen Zeigerarten kann man als fix fertig zusammengestelltes Klima-Heckenpaket im Webshop der RGV unter www.heckentag.at bestellen und an einem der Ausgabestandorte selbst abholen, oder sich zusenden lassen. Dem Heckenpaket beigelegt sind eine hilfreiche Kurzinformation zu den 10 Arten sowie Pflanz- und Pflegetipps. Damit wird es ein Leichtes sein, das lebendige Klimamessgerät Klima-Hecke im eigenen Garten zu verwurzeln und sich zukünftig seinen eigenen Reim auf den Klimawandel machen zu können.

Von Klaus Wanninger, Verein Regionale Gehölzvermehrung

www.regionale-gehoelze.at

www.heckentag.at


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