Die Frauenfachgruppen blicken in Österreich auf eine lange Tradition zurück. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben die Kleingärtnerinnen einen entscheidenden Anteil an dem Aufblühen des Kleingartenwesens in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Ihr Zusammenschluss zu Frauenfachgruppen war die logische Konsequenz der Herausforderungen der damaligen Zeit.
Unter Frauenfachgruppen versteht man den Zusammenschluss von Kleingärtnerinnen, um sich einem gemeinschaftlichen Ziel zu widmen. Über die Jahrzehnte findet man soziale, künstlerische und ökonomische Zwecke, die von den Kleingärtnerinnen aller Altersschichten durch regelmäßige Zusammenkünfte verfolgt wurden.
Der genaue Ursprung lässt sich heute nicht mehr nennen, jedoch ist die Entstehung der Frauenfachgruppen, eng mit den gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen in der Zwischen- und Nachkriegszeit verbunden. Zu dieser Zeit herrschte vor allem im städtischen Bereich große Armut. Die Bewohner der ersten Kleingartensiedlungen mussten lernen mit ihrem kleinen Stückchen Boden so effektiv wie möglich umzugehen. Die Beschaffung von Nutzpflanzen stand ebenso im Fokus wie die idealen Rezepte um die Ernte für die Ernährung der Familie möglichst gut zu nutzen.
Die regionalen Unterschiede von Klima und Boden, selbst in einer Großstadt wie Wien, erforderten ein großes Wissen über Aussat, Bewässerung und Fruchtfolge, welches durch die Frauen gesammelt und weitergegeben wurden. Dieser Wissenstransfer von Generation zu Generation, konnte über eine erfolgreiche Ernte und damit verbunden über die Ernährung der Familie entscheiden.
Neben der Versorgung der eigenen Familie spielte auch der Zusammenhalt in der Gemeinschaft des Kleingartenvereins eine wichtige Rolle. Der Kleingärtner von damals war wenig mobil, die Kommunikation fand im näheren Umfeld statt und die technischen Entwicklungen ermöglichten noch keine längere Lagerung von Lebensmitteln. Deshalb war das Wissen über das Haltbarmachen der Ernteprodukte ebenso wichtig wie der rege Austausch von Gemüse und Obst zwischen den Kleingärtnern.
Nach dem 2. Weltkrieg führte der Mangel an vielen Produkten auch zu kreativen Lösungen, die durch die Frauenfachgruppen an die jüngeren Mitglieder gerne weitergegeben wurden. Zum Beispiel kann man noch heute in Anekdoten von Zichorienkaffee aus den Wurzeln der Gemeinen Wegwarte hören, welcher als Ersatz für den schwer erhältlichen Bohnenkaffee im Garten serviert wurde.
Diese frühen Ausprägungen der Frauenfachgruppen könnte man heute mit dem modernen Begriff „Wissensmanagement“ zusammenfassen. Die Weitergabe von überliefertem Wissen, über die ideale Nutzung des Kleingartens, war ein wichtiges Gut in der damaligen Zeit und wurde durch die Vereine gefördert und unterstützt.
Wandel zu neuen Strukturen
Der Wirtschaftsaufschwung der 50er und 60er Jahre sowie die neuen Strukturen in den Kleingartenanlagen, veränderten auch die Ausrichtungen der Frauenfachgruppen von ökonomischen zu sozialen Zielen.
Die heute aktiven Fachgruppen entstanden aus dem Wunsch sich mit Gleichgesinnten zu gemeinsamen Aktivitäten zu treffen. Leider findet man heute wegen Nachwuchsproblemen nur noch in wenigen Vereinen Frauenfachgruppen.
Frauenfachgruppe der Kleingärtner Floridsdorf
Im 21. Wiener Gemeindebezirk fanden sich Kleingärtnerinnen zusammen, um ihre Liebe zu den Produkten des eigenen Gartens für einen guten Zweck einzusetzen. Unter der Leitung von Obfrau Helga Lang wurde so 2005 die Frauenfachgruppe in der „Bezirksorganisation der Kleingartenvereine Floridsdorf“ gegründet.
Ihre Erfahrung über die Verarbeitung der eigenen Früchte des Gartens stecken sie unter anderem in die Produktion von Marmeladen und Likören. So entstehen köstliche Kreationen wie: Feige, Orange, Kumquat Marmelade oder Holunderblütenlikör.
Zu Weihnachten darf auch das gemeinschaftliche Backen nicht fehlen. Ihre Vanillekipferl, Rumkugeln und Marmeladeherzen sind heiß begehrt. So produzieren die Damen ca. 40 Kilo Kekse pro Saison, die ab November vorbestellt werden können.
Das alles benötigt eine gute Organisation und so wird bei der monatlichen Sitzung der Frauenfachgruppe ein Plan erstellt. Besonderer Wert wird auf biologisch angebaute Produkte aus dem eigenen Garten gelegt.
Verkauft werden die Produkte bei Veranstaltungen wie der Kleingartenmesse oder Weihnachtsmärkten. Die Erlöse sind für einen guten Zweck, der den Frauen besonders am Herzen liegt. Gemeinsam mit dem Ambulatorium Strebersdorf wurde ein Kräutergarten für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsproblemen geschaffen. "Wenn wir in die Augen der Kinder sehen und erkennen wieviel Freude ihnen die Beschäftigung im Garten macht ist all die Mühe vergessen. Das ist uns Belohnung genug.", erzählt Obfrau Helga Lang gerührt.
Neben dem Therapiegarten unterstützen die Damen auch den gemeinnützigen Verein KoMiT welcher sich für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen einsetzt.
Leider plagen die Frauenfachgruppe der Kleingärtner Floridsdorf große Nachwuchssorgen. Aktuell sind nur noch 10 Frauen im Alter zwischen 65 und 80 Jahren aktiv und versuchen vergebens junge Frauen dazu zu motivieren ihr Engagement weiter zu führen.
Frauenfachgruppe Kolonie Gaswerk XI
Auf dem gegenüberliegendem Donauufer hat die 1986 gegründete Frauenfachgruppe Kolonie Gaswerk XI ihren Vereinssitz.
Die Idee zur Gründung entstand aus dem Wunsch die Nachbarn besser kennen zu lernen. So wurde der Vorschlag vom Vereinsobmann aufgegriffen eine eigene Fachgruppe zu gründen. Um finanziell unabhängig zu sein entschlossen sich die Damen gemeinschaftlich ihrer Bastelleidenschaft nachzugehen.
Die 20 bis 25 Mitglieder haben sich in den letzten 35 Jahren hauptsächlich dem Basteln von Weihnachtsdekoration verschrieben. Jährlich findet ein Weihnachtsbasar statt. Besonders beliebt sind die detailreichen Adventkränze, die in großer Zahl vorbestellt werden. Weiters ist von Christbaumschmuck bis hin zu Perlentieren alles zu finden.
Eines haben alle Kunstwerke gemeinsam. Sie sind mit viel Liebe in Handarbeit hergestellt. Dabei wird auf den Einsatz von natürlichen Materialien sowie auf Upcycling wert gelegt. Zum Beispiel bei Engeln aus gebrauchten Kaffeekapseln. Die Vorarbeiten beginnen bereits im März und münden zwei Wochen vor dem Advent in die intensive Phase der Fertigstellung. Beim Verkauf werden zusätzlich selbstgebackene Kekse, Tee oder Punsch angeboten.
Auch am Vereinsleben wird intensiv teilgenommen. Seit vielen Jahren wird der Laternenumzug zu Martini mitorganisiert und die bis zu 70 Laternen für die Kinder der Umgebung gebastelt. Außerdem helfen die Damen gerne bei allen Arten von Feiern mit und sind so über die Vereinsgrenzen bekannt und beliebt.
So viel Arbeit muss gut organisiert werden. Jeden Mittwoch treffen sich die Mitglieder der Frauenfachgruppe um zu basteln und neue Ideen einzubringen. Alles wird im Protokoll festgehalten und so haben sich dicke Ordner mit Bastelprojekten angesammelt.
Die Vorarbeiten für die Dekoelemente beginnen bereits im März und münden zwei Wochen vor dem Advent in die intensive Phase der Fertigstellung. Beim Verkauf der kleinen Kunstwerke werden zusätzlich auch noch selbstgebackene Kekse, Tee oder Punsch angeboten.
Die Einnahmen fließen zurück in neue Projekte und werden in gemeinsame Aktivitäten investiert. „Dabei dürfen manchmal auch die Männer teilnehmen, wenn sie brav geholfen haben“, erzählt uns Obfrau Sonja Feller. Diese Aktivitäten sind sicher auch ein Grund, warum die Frauenfachgruppe nicht unter Nachwuchssorgen leidet. Die aktuell 20 Mitglieder sind zwischen 24 und 86 Jahre jung. Von Anfang an konnte jeder vorbeikommen und seine Kinder und Enkelkinder mitnehmen. So haben bis zu 4 Generationen die gemeinsame Leidenschaft geteilt. Der Nachwuchs aus den eigenen Reihen und der Kontakt zu allen Altersgruppen im Verein wird der Frauenfachgruppe hoffentlich noch ein langes Fortbestehen sichern.
Ausblick
Die österreichische Kleingartenbewegung kann mit Stolz auf den großen Beitrag der Frauenfachgruppen an der Entwicklung des Kleingartenwesens zurückblicken. Auch wenn sich die Lebensumstände ändern und Zeit zur Mangelware geworden ist hoffen wir auch in Zukunft auf viele Initiativen, die aus der Gemeinschaft der Kleingärtner entstehen und die lange Tradition fortsetzen.