Nein, natürlich nicht! Dazu fehlen ihnen die Organe, um komplexe Laute zu erzeugen oder aufzunehmen. Ein Nervensystem, das die Abläufe steuern und verarbeiten würde, haben sie auch nicht. Dennoch reagieren Pflanzen auf bestimmte Geräusche und ändern daraufhin die Produktion von Hormonen oder Proteinen. In einer kürzlich erschienenen Arbeit postulieren Wissenschaftler sogar, Pflanzen würden stress-induzierte Geräusche erzeugen, die verwertbare Informationen beinhalten. Hören wir mal genauer hin!

 

Die Flora verfügt über eine breite Palette von Kommunikationsinstrumenten. Am bekanntesten ist wohl die Nutzung von Farben und Düften, um andere Lebewesen anzulocken oder fernzuhalten. Die Blüte des Echten Lavendel brüllt geradezu mit ihrem auffälligen Violett und ihrem kräftigen Aroma. Viele Pflanzen können aber auch untereinander Informationen austauschen. Droht etwa eine Dürre oder knabbert ein Pflanzenfresser an den Blättern, werden flüchtige organische Verbindungen freigesetzt. Diese Substanzen können bei anderen Pflanzen zu einer Reaktion führen, die daraufhin mehr Ressourcen für eine höhere Resistenz aufbringen.

Es ist schon relativ lange bekannt, dass es im Xylem von Pflanzen zu Kavitationseffekten kommt, wenn sie Trockenheit ausgesetzt sind. Dabei bilden sich kleinste Luftbläschen, die expandieren und platzen, wodurch messbare Vibrationen entstehen. Bisher wurden diese Effekte nur mit Sensoren aufgezeichnet, die direkt mit dem Pflanzenkörper verbunden waren. Vibrationen können sich aber auch über die Luft ausbreiten. Um das zu verstehen, müssen wir zunächst klären, was Geräusche eigentlich sind.

Was wir hören

Die Sprache erlaubt es uns Menschen, sehr viel Information schnell und exakt miteinander zu teilen. Evolutionsgeschichtlich hat sie uns einen erheblichen Vorteil gegenüber allen anderen Spezies gebracht. Das komplexe Aneinanderketten von ein paar Dutzend Tönen und Geräuschen ermöglicht eine unzählbare Menge unterschiedlicher Kombinationen, erfordert aber auch ausgeprägte kognitive Fähigkeiten in der Verarbeitung. Andere Tiere nutzen diese Art der Kommunikation ebenfalls, allerdings sind sie dabei meist auf ein paar Laute beschränkt und kombinieren diese nicht.

Töne und Geräusche sind nichts anderes als Dichteunterschiede, die sich in einem Medium – zum Beispiel Luft – ausbreiten, sogenannte Schallwellen. Die Luft wird bildlich gesprochen zusammengedrückt und auseinandergezogen. Bei Tönen in einem regelmäßigen Hin und Her und bei Geräuschen in einem mehr oder weniger komplexen Muster. In unserem Alphabet benutzen wir beide Formen von Lauten, wobei die Töne als Vokale in der Unterzahl sind. Probieren Sie selbst zu erkennen, welche Art von Schallwellen Sie bei den unterschiedlichen Buchstaben erzeugen!

Zur akustischen Kommunikation werden mindestens zwei Organe benötigt, eines zum Aussenden und eines zum Empfangen der Schallwellen. Durch Vibrationen der Stimmbänder, der Lippen oder der Zunge werden beim menschlichen Sprecher die vorhin angesprochenen Dichteunterschiede erzeugt, die dann beim Hörer das Trommelfell zum Vibrieren bringen. Es liegt also nahe, dass auch die eingangs erwähnten Kavitationseffekte und die damit verbundenen Vibrationen des Pflanzenkörpers zur Erzeugung von Schallwellen führen können.

Was Pflanzen hören

Es existieren viele wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Effekten von Schallwellen auf Pflanzen befassen. Dabei besteht Konsens, dass bestimmte Frequenzen – die Geschwindigkeit mit der die Luft zusammengedrückt und auseinandergezogen wird – das Wachstum und die Widerstandsfähigkeit signifikant beeinflussen können. Auch die Lautstärke und die Dauer der Beschallung kann eine Rolle spielen. Das geht so weit, dass bereits Technologien entwickelt und getestet werden, die auf die Erzeugung von pflanzenspezifischen Geräuschkulissen spezialisiert sind.

Die verantwortlichen physiologischen Effekte wurden noch nicht vollständig geklärt. Relativ gut beschrieben ist die Öffnung der Blattporen – sogenannte Stomata –, was zu einer erhöhten Aufnahme von Nährstoffen oder auch Herbiziden führen kann. Dadurch sind Einsparungen in der Verwendung von Dünger oder Unkrautbekämpfungsmitteln denkbar. Weitere Untersuchungen befassen sich mit dem geräuschbedingten Einschalten von Stressgenen oder der Aufnahme von Schallwellenenergie, die dann bei der Photosynthese genutzt werden kann. Ob verschiedene Musikstilrichtungen einen bestimmten Effekt auf die Pflanzenphysiologie haben, wurde ebenfalls in einigen Arbeiten untersucht. Wenig überraschend konnten keine signifikanten Unterschiede gefunden werden.

Was die Wissenschaftler hören

Bereits in der Einleitung der hier beschriebenen Arbeit wird von den Autoren darauf hingewiesen, dass die von Pflanzen erzeugten Schallwellen lediglich auf den physiologischen Zustand zurückzuführen sind – wir erinnern uns an den Kavitationseffekt – und deshalb gänzlich ohne Intention des Organismus ausgesendet werden. Dennoch können sich diese Geräusche auf andere Organismen auswirken, vorrangig auf Tiere, aber vielleicht sogar auf andere Pflanzen.

Dazu müssten diese Schallwellen aber auch verwertbare Informationen beinhalten, ansonsten würden sie beim Empfänger mit den anderen Störgeräuschen herausgefiltert werden. Nehmen wir das Beispiel einer von Dürre geplagten Pflanze: Würde jedes Pflanzen-Individuum seine eigenen, individuellen Schallwellen erzeugen, wäre es evolutionsgeschichtlich unmöglich, dass ein anderer Organismus eine Reaktion auf diese Geräusche entwickeln würde. Beklagen aber alle Pflanzen (der selben Art) unisono die vorherrschende Trockenheit, ist das eine eindeutige Botschaft, auf die sich ein Empfänger spezialisieren kann.

In speziellen Aufnahmeboxen wurden Schallwellen von zwei Pflanzenarten – Tomaten und Tabak – in zwei Stresszuständen – Trockenheit und Geschnitten – aufgezeichnet. Aus den Messergebnissen wurde ein Computer-Algorithmus erstellt, der die Geräusche den jeweiligen Pflanzenarten und Stresszuständen zuordnen soll. Erstaunlicherweise konnte unter diesen kontrollierten Bedingungen eine Unterscheidung zwischen Pflanzengeräuschen und Störgeräuschen bei 98 % der Fälle erfolgen und eine richtige Zuweisung mit einer Trefferquote von ca. 70 % erreicht werden.

Anschließend wurde das System in ein Glashaus übertragen, wobei nicht mehr die Schallwellen an sich, sondern nur ihre Häufigkeit analysiert wurden. Die Messungen waren auch lediglich auf Tomaten, die Trockenheit ausgesetzt sind, beschränkt. Die Umgebungsgeräusche im Glashaus konnten zu über 99 % herausgefiltert werden und die verdurstenden Pflanzen wurden mit einer Trefferquote von ca. 84 % richtig erkannt.

Es konnte also gezeigt werden, dass Pflanzen stress-induzierte Geräusche erzeugen, die verwertbare Informationen enthalten. Die aufgezeichneten Schallwellen bewegen sich im Ultraschallbereich. Also in einem Frequenzbereich, der außerhalb unseres Hörvermögens liegt, aber durchaus von anderen Spezies wahrgenommen werden kann. Ich bin gespannt, ob diese Erkenntnisse bald in der Pflanzenzucht eine Anwendung finden werden!

 

Text von Maximilian Wolf

 

Quellen:
R. Hassanien, et al. (2014). Advances in Effects of Sound Waves on Plants. Journal of Integrative Agriculture.13. 335–348.
I. Khait, et al. (2019). Plants emit informative airborne sounds under stress. bioRxiv 507590.


Das könnte Sie auch interessieren